Der CDA Niedersachsentag möge beschließen:
I. Ausgangslage aufgrund der Corona-Pandemie
Die Corona-Pandemie hat das Leben in den Familien, in der Gesellschaft und im Staat auf den Kopf gestellt.
Ein nie für möglich gehaltener staatlich verordneter Stillstand des privaten, wirtschaftlichen und öffentlichen
Lebens in weiten Bereichen geschah von einem Tag auf den anderen. Bis ein Impfstoff gefunden ist, bleibt
ein Höchstmaß an Vorsicht mit dem richtigen Augenmaß für Lockerungen und Sicherheitsauflagen
erforderlich, getragen von möglichst breiter Zustimmung der Menschen.
Die massiven Folgen der Corona-Krise für Betriebe, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer,
Sozialversicherungen, öffentliche Haushalte, Staaten innerhalb und außerhalb der EU mit
gravierenden Rückwirkungen auf Deutschland sind in ihrer Gesamtwirkung noch nicht abschätzbar.
Umso größer ist unser Dank an alle Menschen, die jeweils an ihrem Platz in Familie, Betrieb und
Gesellschaft ihre Pflicht tun und mit aller Kraft ihren Beitrag zur Überwindung der Corona-Krise leisten.
Unverzichtbar sind die enormen finanziellen Anstrengungen unter Einsatz von hunderten Milliarden
Euro von Bund, Ländern, Kommunen, Sozialversicherungen und Europäischer Union insbesondere
mit den verschiedenen Corona-Hilfspaketen und Konjunkturprogrammen auf den unterschiedlichen
Ebenen unter Einsatz finanzpolitischer Instrumente.
Sie sind notwendig auf Grund der gewaltigen Einbrüche bei Produktion, Umsatz und Export der deutschen und
niedersächsischen Betriebe und Unternehmen und der damit verbundenen drastischen Einnahmeausfälle
in den öffentlichen Haushalten und bei den Sozialversicherungen. Auch nach Durchschreiten der Talsohle
wird ein längerer Erholungsprozess weiterhin kräftige staatliche Flankierung erfordern.
II. Der weitere Weg
1) Betriebe und Kurzarbeitergeld
Aufgrund der sehr guten Erfahrungen besonders in Niedersachsen müssen weiterhin staatliche
Überbrückungshilfen in Form von Zuschüssen und Sonderkreditprogrammen zur Überlebenssicherung
von Betrieben geleistet werden. Das gilt auch für die Leistungserbringer nach dem
Sozialdienstleister – Einsatzgesetz.
Die erfolgte Aufstockung des von der Bundesagentur für Arbeit gezahlten Kurzarbeitergeldes
auf bis zu 87 % des Nettolohns ist erforderlichenfalls über 2020 hinaus fortzuschreiben.
2) Finanzpolitische Weichenstellung
Die enormen „Corona-Schulden“ der öffentlichen Hände müssen getrennt werden von den „normalen“
finanzpolitischen Notwendigkeiten. Bei den Entscheidungen, was sich Bund, Länder und Kommunen
noch leisten können, dürfen die öffentlichen „Corona Schulden“ nicht zum Totschlagsargument für
die Bereitstellung von Finanzmitteln in den öffentlichen Haushalten sein. So sind starre globale
Kürzungsauflagen für die einzelnen Ressorts der niedersächsischen Landesregierung fehl am Platz.
3) Einzelne Investitions-/Schwerpunkte im niedersächsischen Landeshaushalt und in den
Kommunalhaushalten
a. soziale und gesundheitliche Infrastruktur
(1) Krankenhäuser
Die bisher erfolgreiche Bekämpfung der Corona-Pandemie hat gezeigt, dass die bürgernahe,
qualitätsgerechte dezentrale niedersächsische Krankenhauslandschaft in Trägervielfalt erhalten
und fortentwickelt werden muss. Zur Sicherung und Verbesserung der Qualität liegen in
Niedersachsen Investitionsanträge der Krankenhäuser in Höhe von rund 2 Milliarden Euro vor
(Prioritätenliste). Für die Jahre 2019 bis 2022 stehen ihnen aber Investitionsmittel des Landes
und der Kommunen und Strukturfondsmittel II in Höhe von nur 1 Milliarde Euro gegenüber.
Der jährliche Investitionsbedarf beträgt auch vor dem Hintergrund der Beratungen der Enquete
Kommission des niedersächsischen Landtages zur stationären Krankenhausversorgung nach
fachlich unbestrittenen Investitionsbewertungsrelationen 8 % des Umsatzes. Auch dies zugrunde
gelegt beträgt der jährliche Investitionsbedarf rund 550 Millionen Euro in Niedersachsen.
Deshalb sollte das Land Niedersachsen mit seinen Kommunen neben der Bereitstellung der
Gegenfinanzierung für die Strukturfondsmittel III (Konjunkturprogramm des Bundes Juni 2020)
vor allem die allgemeinen Krankenhausbaumittel (Einzelförderung gemäß §§ 9 Abs. 1
Krankenhausfinanzierungsgesetz des Bundes, 6 Niedersächsisches Krankenhausgesetz)
von zur Zeit 120 Millionen Euro auf 240 Millionen Euro jährlich verdoppeln, die allen
Krankenhäusern in Niedersachsen zu Gute kommen.
Daneben muss es auch die Pauschalmittel für die Plankrankenhäuser §§ 9 Abs. 3
Krankenhausfinanzierungsgesetz des Bundes, 7 Niedersächsisches Krankenhausgesetz) von zur Zeit
110 Millionen Euro jährlich kräftig erhöhen, nicht zuletzt, um die Digitalisierung in den
niedersächsischen Krankenhäusern voranzutreiben.
(2) Hausärzte
In der Corona-Pandemie hat der „Schutzwall Hausärzte“ gehalten. Dennoch verstärkt sich der
Ärztemangel in der hausärztlichen Versorgung in Niedersachsen drastisch weiter, wenn nichts
geschieht. Für eine wirksame Niederlassungsförderung, die Schaffung zusätzlicher
Medizinstudienplätze, die Schaffung von Weiterbildungsstellen für Hausärzte an Krankenhäusern
und die Förderung hausärztlicher (!) Versorgungszentren (hausärztlicher Medizinischer
Versorgungszentren – MVZ - ) müssen deshalb zusätzliche Finanzmittel aufgebracht werden.
Die CDA in Niedersachsen unterstützt die Initiative des Hausärzteverbandes Landesverband
Niedersachsen, an den Universitäten Hannover, Göttingen und Oldenburg die Abteilungen
für Allgemeinmedizin mit deutlich mehr Personal auszustatten. Im Vergleich zu Fächern wie
Innere Medizin, Chirurgie, Anästhesie und anderen Spezialfächern liegt der Steigerungsfaktor
für Lehrstühle der Allgemeinmedizin bei 5-8 Mal so viel Personal wie bisher. Bei der groben
Berechnung: von 100 Studenten jeweils die Hälfte in Klinik oder Praxis und von den 50 in der
ambulanten Medizin dann 25 in der Allgemeinmedizin, um die Bevölkerung bedarfsgerecht
zu versorgen, müssen 25 % der Landesgelder für Lehre und Forschung in den Abteilungen
für Allgemeinmedizin in Hannover, Göttingen und Oldenburg eingesetzt werden.
(3) Pflegeassistenten
Mit Hilfe von Pflegeassistenten mit in Niedersachsen 2-jähriger Ausbildung lässt sich ein sehr
wirksamer Beitrag zur Bekämpfung des Pflegenotstandes erreichen. Bereits jetzt können
Pflegeassistenten einen Großteil der Pflegetätigkeiten in der Altenpflege ausführen und im
Krankenhaus helfen, die Personaluntergrenzen einzuhalten („Helfer werden bei der Einhaltung
der Personaluntergrenzen mitgezählt“)
Das nach dem zweiten Pflegestärkungsgesetz nunmehr von Professor Dr. Rothgang (Universität Bremen)
vorgelegte neue Pflegepersonalbemessungsinstrument für die stationäre Langzeitpflege sieht
einen Personalmehrbedarf von 38 % bei den ausgebildeten Pflegeassistenten mit ein- oder
zweijähriger Ausbildung nach Landesrecht.
Es sind deshalb nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz des Bundes unverzüglich die
notwendigen rechtlichen Rahmenbedingungen insbesondere zur Finanzierung des Einsatzes
von Pflegeassistenten zu regeln mit Unterstützung Niedersachsens im Bundesrat.
Das Land Niedersachsen ist gefordert, unverzüglich eine Finanzierung analog dem Pflegeberufegesetz
zu schaffen, die aus einer bedarfsgerechten Schulpauschale für die öffentlichen Pflegeberufsfachschulen
an berufsbildenden Schulen (BBS) und die privaten Pflegeberufsfachschulen sowie einer Pauschale für
die Kosten der Träger der praktischen Ausbildung besteht.
Zusätzlich ist die zweijährige Pflegeassistentenausbildung durch die Einführung einer Ausbildungsvergütung
analog dem Pflegeberufegesetz zu fördern.
b. Wohnungsbauförderung
In weiten Teilen Niedersachsen ist die Lage auf dem Wohnungsmarkt ungeachtet der Corona-Pandemie
weiterhin sehr angespannt. Starke Mietpreissteigungen in weiten Teilen des Landes wie bei den
Angebotsmieten in Hannover auf in Gesamtdurchschnitt 9,-- € pro m2 machen es Normalverdienern
chwer oder unmöglich, eine bezahlbare Mietwohnung zu finden. Die vielerorts gestiegenen
Immobilienpreise verhindern, dass Familien ein Eigenheim erwerben können.
Deshalb muss die Förderung des Sozialen Wohnungsbaus (Eigentum und Miete) für kleine und
mittlere Einkommensbezieher trotz der Corona-Problematik einen Schwerpunkt im niedersächsischen
Landeshaushalt bilden.
Die aus dem Haushaltsüberschuss des Landes 2018 zur Verfügung gestellten 400 Millionen
Fördermittel können nur ein Anfang sein. Berechnungen der Wohnungswirtschaft haben
eine Unterdeckung an Landesmitteln von 1,4 Milliarden Euro für den Neubau von nur 14.500
Wohnungen landesweit bis 2023 ergeben.
Die vorhandenen 400 Millionen Landesmittel für den Wohnraumförderfonds sind deshalb
schon im kommenden Doppelhaushalt des Landes 2021/2022 kräftig aufzustocken, nachdem
der Bund bereits einen Beitrag geliefert hat.
c. Umwelt. Klimaschutz – grüner Wasserstoff
Im Rahmen der von der Bundesregierung beschlossenen Nationalen Wasserstoffstrategie muss
das Land Niedersachsen seinen Beitrag leisten, um zentraler Standort für die deutsche
Wasserstoffwirtschaft zu werden. Niedersächsischer Standortvorteil ist es, dass Niedersachsen
den Windstrom bereits dort hat, wo er mittels Elektrolyse direkt in Wasserstoff umgewandelt
und eingesetzt werden kann.
Die innovative Nutzung des grünen Gases in Verbindung mit der Brennstoffzellentechnik muss
in allen Sektoren – Industrie, Wärme, Verkehr, Stromerzeugung – vorangetrieben werden.
PKW und LKW Antriebe können ebenso wie die Industrieproduktion dekarbonisiert werden.
Mit diesem Ziel muss das Land Niedersachsen den Einsatz von grünem Wasserstoff und großskaliger
Elektrolyse für die Erzeugung synthetischer Kraft- und Brennsstoffe im Energiesystem fördern.
Dazu gehört die Förderung:
- der Umwandlung und Speicherung regenerativen Stroms mittels der Power-to- Gas – Technik,
- des Ausbaus der Lade-Infrastruktur mit einem Wasserstofftankstellennetz (mit Elektrolyseuren;
Bau von Flottentankstellen) einschließlich vorgelagerter Infrastruktur,
- des Kaufs von Brennstoffzellen – KFZ,
- der Forschung und Entwicklung,
- der Umsetzung von gemeinsamen Projekten verschiedener Akteure (Sektorenkopplung) wie der Ankopplung
von Elektrolyseuren an die etwa 8000 Windräder in Niedersachsen, die aus der Förderung herausfallen.
d. Berufliche Bildung Niedersachsen
Land und Kommunen müssen die gegenüber dem „Akademisierungswahn“ ins Hintertreffen geratene
berufliche Bildung mit einem Maßnahmepaket stärken.
Dazu muss die mit Abstand unter allen öffentlichen Schulen schlechteste Unterrichtsversorgung an den
Berufsbildenden Schulen durch kontinuierliche Erhöhung der Zahl der Lehrkräfte-Planstellen bei Verzicht
auf die Kürzung der Zahl der Einstellungsermächtigungen zügig auf „reale“ 100 % plus 5 % Vertretungsreserve
verbessert - Kompensation von Krankheitsausfällen – bis spätestens zum Jahr 2025 werden.
Ein Aus-, Fort- und Weiterbildungsbudget muss sichergestellt werden.
Die angemessene kommunale Sachmittelausstattung ist durch einen Investitionsfonds einschließlich
„Digitalisierungstopf“ für die berufliche Bildung auf Landesebene in der Dekade 2021-2030 zu ergänzen.
Für die Koordinierung des Ausbaus und der Qualitätssteigerung in der beruflichen Bildung Niedersachsens
ist dringend ein Niedersächsisches Institut für berufliche Bildung (NIBB) zu errichten, wie andere
Bundesländer (z.B. Hamburg) es seit Jahren vormachen.
e. Leistungsfähigkeit des Öffentlichen Dienstes
Seine Leistungen in der Bekämpfung der Folgen der Corona-Pandemie haben dem Öffentlichen Dienst
ein hohes Maß an Anerkennung eingebracht.
Es hat sich schon vorher gezeigt, dass die Personalsituation im Öffentlichen Dienst angespannt ist, dies
nicht zuletzt auf Grund der demographischen Entwicklung.
Kernfrage ist nun, ob Land und Kommunen trotz der „Corona- Haushaltslage“ Stellen wiederbesetzen oder
neu schaffen und zugleich die für die unbestritten notwendige Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung
erforderlichen Finanzmittel bereitstellen.
Im Sinne der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung in allen Bereichen müssen Land und
Kommunen diese Kernfrage positiv beantworten.
f. Leistungsfähige Kommunen
Die niedersächsischen Kommunen haben sehr großen Einfluss auf Beschäftigung, Bildung, Soziales,
Gesundheit, Bau, Verkehr einschließlich des ÖPNV, Brandschutz und Sicherheit. Infolge der Corona-
Pandemie haben die Kommunen aber herbe Rückgänge bei den Steuereinnahmen, Finanzzuweisungen
und der Wirtschaftsleistung erleiden müssen. Deshalb sieht das Konjunkturpaket des Bundes vor, die
Einnahmeausfälle der Kommunen bei der Gewerbesteuer zu kompensieren, wobei aber die Länder die
Hälfte der Verluste der Kommunen übernehmen sollen.
Notwendig ist auch eine Pro-Kopf-Zuweisung an die Städte und Gemeinden. Die Höhe dieser Zuweisung
muss die Größenordnung der Defizite berücksichtigen, allen Kommunen unabhängig von ihrem Schuldenstand
zugutekommen und sehr schnell ausgezahlt werden.
III. Corona-Lastenausgleich
Die Gelder und Schulden, die jetzt und weiterhin in Folge der Corona Pandemie zur Existenzsicherung
von Wirtschaft und Sozialstaat aufgewendet werden, müssen zurückgezahlt werden. Beizeiten muss über
die Aufbringung der erforderlichen Mittel diskutiert und entschieden werden, damit Wirtschaft und
Sozialstaat, sozialer Friede, Rechtsstaat und Demokratie die Corona-Krise überstehen.
Denkbar sind insbesondere -allein oder kombiniert- die Kürzung von Ausgaben, die stärkere
Besteuerung oder Vermögensabgaben
Bei der Auswahl der Konsolidierungsmaßnahmen muss entscheidend die Generationengerechtigkeit beachtet werden.
Vorbild kann der Lastenausgleich sein, den Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg als Vermögensabgabe
für jeden (bei nur kleinen Freibeträgen) beschlossen hat, zahlbar in ¼-jährlichen Raten über einen
Zeitraum von 30 Jahren. Ein neuer Lastenausgleich wäre wie damals die Antwort auf ein Ereignis, das
in kürzester Zeit das Leben von Millionen Menschen auf den Kopf gestellt hat.
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